Familie gestalten – aber wie?

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Workshop des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD diskutiert Familienbilder

Die Weihnachtszeit ist für viele Menschen Familienzeit. Zum “Fest der Liebe” gehören Verwandtenbesuche, Schwiegereltern, Gottesdienstbesuche mit den Kindern und Enkeln. Welche Bedeutung Familie für den einzelnen in einer sich wandelnden Welt hat und wie sie gestaltet wird, war das Thema eines Workshops, der Mitte Dezember in Hannover stattfand. Eingeladen hatten das Sozialwissenschaftliche Institut der EKD und die Evangelische Aktionsgemeinschaft für Familienfragen (eaf). An der Debatte beteiligten sich Fachverbände, Landeskirchen, Expertinnen und Politiker.

Wenn Menschen in eine Notlage geraten, sind als erstes Familienmitglieder gefragt. Familie behält als Lebensgemeinschaft ihre Bedeutung, vor allem was Sozialisation, soziale Reproduktion und Statuszuweisung betreffen. Zugleich aber sind Familien heute weniger stabil als früher. Unter Belastungen – wie lang anhaltender Arbeitslosigkeit – gelingt es Eltern mitunter nur unzureichend, tragfähige Beziehungen zu ihren Kindern zu entwickeln. Ein Fazit des Workshops mit dem Titel “Familie gestalten  in einer sich wandelnden Umwelt – Familienpolitik in evangelischer Sicht” lautet daher auch: “Familie brauchen Unterstützung und Wertschätzung.”

“Bis hin zu unserem Gottesbild beeinflussen uns Erfahrungen aus der Familie”, betonte Cornelia Coenen-Marx, Referentin im Kirchenamt der EKD. Es sei wichtig, dass Gemeinden und Dienste der Kirche Familien stützen und begleiten, und dass sie sich auch selbst den Herausforderungen stellen, die mit der Veränderung von Familien und Familienleben verbunden sind. Den Wandel gestalten und den Zusammenhalt bewahren, das sei Aufgabe sowohl für Kirche als auch für die Familien selbst. “Es gilt zu verhindern, dass die Familie ihre Prägekraft als kulturelle und religiöse Traditionsgemeinschaft einbüßt”, betonte Harry Jablonowski,  Projektleiter am Sozialwissenschaftliche Institut der EKD.

Eltern seien immer noch das wichtigste emotionale Bezugsystem für Kinder und Jugendliche, so Professorin Hildegard Mogge-Grotjahn von der Evangelischen Fachhochschule in Bochum. Dies gelte aber sowohl im positiven als auch im problematischen Sinne, denn Familien seien nicht nur der Ort, an dem Geborgenheit und Vertrauen erfahren werde, sondern auch ein Ort der Erfahrung von Gewalt und Vernachlässigung. Entscheidend sei nicht die Form der Familien- oder Lebensgemeinschaft, sondern die Qualität. Es komme darauf an, verlässliche Rahmenbedingungen dafür zu gewährleisten, dass Menschen füreinander sorgen und Verantwortung übernehmen können.

Der Arbeitsmarkt verlangt Mobilität und Flexibilität. Welche Konsequenzen die veränderten Arbeitsbedingungen haben und wie vor allem Kinder damit klar kommen, erläuterte Barbara Thiessen vom Deutschen Jugendinstitut (DJI): “Ungewöhnliche Arbeitszeiten der Eltern sind für Kinder nicht das Problem, solange sie verlässlich und planbar sind.” Schwierig seien die kapazitätsorientierten variablen Arbeitszeiten, wie sie beispielweise in der Verkaufsbranche und in den Medien üblich sind. Geplante Kinobesuche fallen aus oder Eltern schaffen es mal wieder nicht, zur Vorführung in die Schule zu kommen. Problematisch sei aber auch, wenn Eltern die gemeinsame Zeit immer ganz besonders toll gestalten wollen. Kinder wünschten sich eher das Beiläufige, zum Beispiel die Kissenschlacht morgens im Bett.

Fast 93 Prozent der jungen Männer wollen Nachwuchs. Doch die meisten halten am alten Rollenbild des Familienernährers fest fest. Das ergab eine aktuelle Studie des Deutschen Jugendinstituts. Die Politik hat immerhin mit Einführung des Elterngeldes im Jahr 2007 die Rahmenbedingungen für aktive Väter verbessert. Um berufstätigen Eltern den Alltag zu erleichtern, müssten Kindergärten und Beratungseinrichtungen besser vernetzt und “aus der Logik der Familien gedacht werden”, sagt Barbara Thiessen. Ihr Stichwort für die Zukunft: integrierte Dienstleistungsangebote. Auch müssten Mitarbeiter/innen der Beratungsstellen in die Kindertagestätten gehen und dort Angebote wie Elternkurse vorstellen.”  Was brauchen Familien außerdem – was kann Kirche tun? Insa Schöning, Bundesgeschäftsführerin Evangelischer Aktionsgemeinschaft für Familienfragen (eaf), präsentierte Ergebnisse einer Umfrage bei Landeskirchen und Diakonischen Werken. Bei zehn der Befragten war in jüngster Vergangenheit Familie ein Jahresthema und wurde auf Synoden behandelt. Rainer Volz, wissenschaftlicher Referent der Ev. Kirche im Rheinland, gab Antworten auf die Frage, was Männer und Frauen von den großen Kirchen erwarten. Die Bevölkerung sei im Blick auf die Geschlechterfragen geradezu polarisiert. Die einen wünschten Einsatz der Kirchen für das traditionelle Geschlechterverhältnis (Männer 31%, Frauen 24%), die anderen wünschten Unterstützung durch die Kirchen bei der Neugestaltung der Männerrolle (Männer 31%, Frau 22%).  Rainer Volz präsentierte erste Ergebnisse der Studie “Männer in Bewegung. Zehn Jahre Männerentwicklung in Deutschland”. Sie wird 2009 bei Nomos als Buch erscheinen.