Arbeitsbedingungen in der diakonischen Pflege

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SI-Studie bestätigt: Führung macht den Unterschied

Die Verweildauer der Patientinnen und Patienten in den Krankenhäusern sinkt, doch immer mehr Menschen auf den Stationen brauchen intensive Betreuung. Zugleich wird vielerorts Pflegepersonal reduziert. Wie kommen die Pflegekräfte damit klar? Wo gibt es Unterstützung, wo Kraftquellen, um den ständig steigenden Anforderungen gerecht zu werden ? ohne auszubrennen? Gibt es einen Zusammenhang zwischen Arbeitsbelastung und der Religiosität? Diesen Fragen ist Heike Lubatsch im Rahmen eines Projektes des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD nachgegangen. Ziel der Studie war es, Daten zur Arbeitszufriedenheit, Burnout und Sinnerleben von Pflegepersonen in diakonischen Krankenhäusern Niedersachsens zu erheben. 882 Fragebögen konnten ausgewertet werden. Erstmals wurden auch die Religiosität und die diakonische Identität der Pflegenden in den Fokus genommen und Empfehlungen für Führungskräfte erarbeitet. Die Ergebnisse der Studie liegen jetzt gedruckt vor:

Heike Lubatsch
Führung macht den Unterschied
Arbeitsbedingungen diakonischer Pflege im Krankenhaus
SI konkret 5, LIT
144 Seiten, 17,90 €, ISBN 978-3-643-11896-7, Zum Shop

Die Anzeichen von Burnout sind in den beteiligten Krankenhäusern unterschiedlich stark ausgeprägt ? sie variieren zwischen vier und 33 Prozent. Ein Alarmzeichen ist, dass bei 19 Prozent der beteiligten Pflegepersonen in diakonischen Krankenhäusern in Niedersachsen eine hohe und bei 55 Prozent eine mittlere Ausprägung von Burnout-Indizien sichtbar wurden. Fast 80 Prozent der Befragten arbeiten häufig unter Zeitdruck. “Wo jedoch Probleme offen angesprochen werden können und Mitarbeitende wertgeschätzt werden, erleben die Pflegepersonen weniger Stress und emotionale Erschöpfung. Entscheidend ist die Unterstützung durch Vorgesetzte”, sagt Projektleiterin Heike Lubatsch. Führungskräfte können an den Stellschrauben drehen, so dass Pflegepersonen die vielfältigen Anforderungen besser bewältigen und auf die eigene Gesundheit achten können. 41 Prozent der Pflegepersonen fühlen sich in hoher Ausprägung durch Vorgesetzte unterstützt, für 28 Prozent ist dies nur in geringem Ausmaß so. “Bei allen ökonomischen Zwängen haben Führungspersonen die Möglichkeit, die Arbeitsbedingungen der Pflegenden maßgeblich mit zu gestalten”, betont Lubatsch.

Ein weiteres Ergebnis der Studie: Der Glaube darf bei der Bewältigung der steigenden beruflichen Anforderungen ? als Kraft- und Sinnquelle ? nicht unterschätzt werden. “Pflegende, für die Religion eine Rolle spielt, sind deutlich zufriedener mit der Arbeit”, erklärt Prof. Dr. Gerhard Wegner, Direktor des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD. Sie zeigen weniger Indizien für Burnout als Pflegende, bei denen religiöse Inhalte und Praktiken im Leben kaum vorkommen. Von den an der Studie teilgenommenen Pflegepersonen sind 15 Prozent hoch religiös, knapp 60 Prozent sind religiös. Jede fünfte Pflegeperson schätzt, dass religiöse Fragen ihre Patientinnen/Patienten stark beschäftigen.

“Wir haben auch gefragt, was Arbeitgeber leisten und anbieten sollten”, sagt Gerhard Wegner. 70 Prozent der Pflegenden wünschen sich, dass etwas für die Förderung und Erhaltung ihrer Gesundheit getan wird. Circa zehn Prozent hätten gern Informationen über den Glauben und/oder religiöse Angebote. Unterstützung im Umgang mit Sinnfragen möchte jeder vierte der Befragten. Unzufrieden sind die Pflegekräfte eindeutig mit der Höhe der Entlohnung, auch vermissen sie Anerkennung für ihren Einsatz.

Der Pflegeberuf ist anstrengend, aber interessant und sinnvoll. Auch das wird durch die SI-Studie bestätigt. Die höchste Zufriedenheit liegt beim Inhalt der Arbeit (66 %), den sozialen Beziehungen mit Kollegen (69 %) und der Vielfältigkeit der Arbeitstätigkeit (60 %). Bei circa 80 Prozent der Befragten ist das Sinnerleben im Beruf hoch ausgeprägt. Das Wohl der Patientinnen/Patienten ist 98 Prozent der Pflegenden sehr wichtig und gut zwei Drittel bekommen von Patienten “etwas zurück” – in Form von Dankbarkeit, Kooperation oder deutlichen Heilungserfolgen. Für 93 Prozent aller Befragten ist ein gutes Team sehr bedeutsam. Zwei Drittel der Pflegenden fühlen sich im Alltag von Kollegen in hohem Maß unterstützt und knapp ein Drittel der Pflegenden in diakonischen Krankenhäusern erleben die Seelsorge als hilfreich. Die Studie ist zudem der Frage nachgegangen, ob diakonischer Anspruch und die gelebte Wirklichkeit im Einklang stehen. Die Auswertung macht deutlich, dass das diakonische Klima zeitgemäßer gestaltet und kultiviert werden muss. “Wir brauchen im Krankenhausalltag Zeiten und Orte für Reflexion. Wertekonflikte müssen identifiziert und bearbeitet werden”, betont Pflegewirtin Lubatsch.

Die schriftliche Befragung wurde im Zeitraum von November 2010 bis August 2011 durchgeführt. Beteiligt haben sich Pflegepersonen in acht diakonischen Krankenhäusern Niedersachsens, in zwei städtischen Krankenhäusern Niedersachsens und in zwei Krankenhäusern in den neuen Bundesländern. 24 Prozent der Beteiligten sind 50 Jahre oder älter, elf Prozent jünger als 24 Jahre.

Sozialwissenschaftliches Institut der EKD
Renate Giesler
(0511)554741-17