Die Zuschussrente ist sicher!
Gerhard Wegner: evangelisch.de
Was passiert mit der Rente? Immer mehr Senioren droht die Altersarmut – und für die kommenden Generationen sieht es nicht viel besser aus.
An einer Zuschussrente führt wohl kein Weg vorbei, meint Gerhard Wegner, Direktor des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD. Ein steuerfinanzierter Zuschuss ist aus seiner Sicht der bessere, weil gerechtere Weg. Doch wie konnte es überhaupt dazu kommen, dass so viele Menschen nicht mehr von ihren Renten leben können? Die Ursachen liegen in politischen Fehlern und veränderten Berufsbiographien.
In den Einzelheiten gibt es zwischen den Entwürfen zur Stärkung der Alterssicherung von Ursula von der Leyen und denen der SPD gewiss große Unterschiede. Aber im Kern sind sich die großen Parteien einig. Es muss etwas gegen Altersarmut getan werden und dies kann nur darin bestehen, die zu erwartenden niedrigen Renten durch Zuschüsse (aus der Rentenkasse selbst oder aus Steuermitteln) aufzustocken. Geschieht dies nicht, werden große Zahlen von Rentnern schon bald von Armut betroffen sein.
Die Zuschussrente wird also mit großer Wahrscheinlichkeit kommen. Wenn nicht Gerechtigkeitsargumente, so sorgt dafür schon die Angewiesenheit der großen Parteien auf die Wählerstimmen der immer zahlreicher werdenden Rentner.
Diese Entwicklung, wie immer sie auch im Einzelnen aussehen wird, ist das Eingeständnis der Politik, in der Vergangenheit einiges falsch gemacht zu haben. Denn die Sicherung vor Altersarmut war einmal ein Erfolgsmodell deutscher Sozialpolitik. Noch heute liegen die aktuellen Armutsraten der Älteren unter denen der Gesamtbevölkerung – was es in keinem anderen OECD-Land gibt – aber diese Situation wird sich jetzt schnell ändern. Wie es dazu gekommen?
Nur noch Armutsvermeidung
Nach einem Höhepunkt der Rentenentwicklung Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre wurde das Rentenniveau kontinuierlich herunter gefahren. Anlass dafür waren vor allem die demographischen Prognosen. Nicht mehr die Erzielung eines möglichst hohen Rentenniveaus als Lebensstandardsicherung, sondern die Reduzierung des Rentenbeitragssatzes wurde nun zum Fokus der Politik. Das Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetz 2004 setzte dieses Ziel um, in dem die Rentenanpassungsformel nun um einen Nachhaltigkeitsfaktor ergänzt wurde.
Tatsächlich gehen die Prognosen dahin, dass die Höhe der Rente die der Durchschnittsverdiener nach 45 Arbeitsjahren erhält, gemessen am jeweiligen Durchschnittseinkommen in 2025 45,2 Prozent betragen wird (2011 noch 50,8 Prozent). Sinkt das Rentenniveau weiter bis auf 43 Prozent, dann reicht selbst ein Mindestlohn von um die 10 Euro nicht aus, um trotz langjähriger Vollzeitarbeit eine Rente oberhalb des Grundsicherungsniveaus zu erreichen. Die neuen Berechnungen aus dem Hause von der Leyen belegen dieses Risiko drastisch.
Wenn diese Situation tatsächlich eintreten sollte, wäre es zu einer völligen Abkehr von den Zielen der großen Rentenreform von 1957 gekommen. Die Rentenversicherung diente dann faktisch zum größten Teil bestenfalls nur noch der Armutsvermeidung und hätte jeden Zusammenhang mit einer auch nur halbwegs angemessenen Lebensstandardsicherung verloren. Im Grunde genommen wäre das ganze System wieder bei der alten bismarckschen Sozialversicherungskonzeption angekommen: Jeder und jede muss dann auf anderem Wege seine jeweilige Situation im Alter zu stabilisieren trachten.
Brüche in den Berufsbiografien
Gesehen werden muss allerdings auch, dass nicht alle Rentner allein auf die gesetzliche Rente angewiesen sind. Viele können sich zudem auf Betriebsrenten und private Absicherung stützen oder verfügen auch über privates Vermögen, vor allem in Form von Immobilien oder ergänzenden Versicherungen verschiedener Art (Riesterrente etc.). Für die große Mehrheit der Bevölkerung stellt die gesetzliche Rentenversicherung allerdings nach wie vor den zentralen Pfeiler ihrer Alterssicherung dar. Viele Menschen sind auch gar nicht in der Lage ergänzende Alterssicherungen aufzubauen, da sie lange Zeiten in prekären oder immer wieder unterbrochenen Beschäftigungsbedingungen verbringen.