Was bewegt Menschen in Deutschland dazu, sich im Rahmen der Flüchtlingsthematik zu engagieren?
Das zivilgesellschaftliche Engagement in Deutschland hat in den letzten Jahrzehnten einen regelrechten Aufschwung erfahren, der durch die Aufnahme geflüchteter Menschen seit 2015 noch einmal neu an Kraft gewann. So zeigen die Repräsentativbefragungen des SI (Flüchtlinge in Deutschland ) zu Sorgen, Hoffnungen und Hilfsbereitschaft, dass das Engagement für Geflüchtete von November 2015 bis April 2017 zwar insgesamt zurückging, sich aber weiterhin auf einem hohen Niveau befand.
Allerdings zeigen die Entwicklungen der letzten Jahre ebenso, dass es nicht nur Menschen gibt, die sich für die Hilfe oder Unterstützung von Flüchtlingen engagieren, sondern auch solche, die sich in ihrem Engagement für eine Begrenzung der Flüchtlingsaufnahme oder die Verschärfung der deutschen Flüchtlingspolitik einsetzen. So gibt bzw. gab es neben regelmäßigen Demonstrationen wie von PEGIDA oder Parteien wie der AfD im ganzen Bundesgebiet Bürgerinitiativen und -entscheide, die sich in der Regel mit lokalen Belangen, wie zum Beispiel dem Bau von Übergangswohnheimen, auseinandersetzten. In der (wissenschaftlichen) Diskussion zum zivilgesellschaftlichen Engagement und seinem Verständnis wird denn auch zunehmend die bisher weitgehende Begrenzung auf dessen “gemeinwohlorientierte” Ausrichtung mit einer den Zusammenhalt der Gesellschaft grundsätzlich fördernden Wirkung problematisiert. Mit einer vergleichenden Untersuchung der subjektiven Motivationen und Zielsetzungen, die bei solch unterschiedlichen Engagement-Ausrichtungen wie den oben genannten zum Zuge kommen, soll dieser Problemhintergrund empirisch genauer beleuchtet werden.
Zielsetzung
Das Projekt, das in Kooperation mit Prof. Dr. C. Kumbruck von der Hochschule Osnabrück durchgeführt wird, nimmt sowohl das Engagement zur Hilfe und Unterstützung von Flüchtlingen als auch für die Begrenzung der Flüchtlingsaufnahme und Verschärfung der deutschen Flüchtlingspolitik in den Blick und fragt mithilfe qualitativer und quantitativer Methoden nach Engagement bezogenen Sinnkonstruktionen, Begründungszusammenhängen sowie Werten und Motiven. Der qualitative Teil des Projekts soll mit den darin herausgearbeiteten Orientierungen eine Grundlage für die sich anschließende quantitative Erhebung liefern.
Die Ergebnisse liefern einen Beitrag zu aktuellen gesellschaftlichen und politischen Debatten und können im besten Falle die Schwierigkeiten des Austauschs der unterschiedlichen Perspektiven beleuchten und Möglichkeiten zur Verbesserung dieses Austauschs bieten. Im Feld der Engagement-Forschung kann die Untersuchung, auch mit der Entwicklung und Erprobung eines empirischen Instrumentariums, neue Erkenntnisse in die Debatte um das zivilgesellschaftliche Engagement einbringen.
Verantwortlich im SI
Petra-Angela Ahrens (petra-angela.ahrens@si-ekd.de, 0511 554741-23)
Maria Sinnemann (maria.sinnemann@si-ekd.de, 0511 554741-28)
Laufzeit und Ergebnisse des Gesamtprojekts
Die Laufzeit des Projekts “Zivilgesellschaftliches Engagement” ist von April 2018 bis März 2021 angesetzt.
Die qualitative Teilstudie wurde bis 2019 durchgeführt. Die Publikation der Ergebnisse fand im Mai 2020 im Nomos-Verlag statt:
Christel Kumbruck / Maik Dulle / Marvin Vogt
“Flüchtlingsaufnahme kontrovers
Band I. Einblicke in die Denkwelten und Tätigkeiten von Engagierten”
Die Ergebnisse aus den Forschungen wurden zudem im Rahmen einer Tagung präsentiert.
Die quantitative Teilstudie wurde bereits im Rahmen der Jahrestagung 2020 vorgestellt. Die vollständigen Ergebnisse wurden im September 2021 im Nomos-Verlag veröffentlicht:
Maria Sinnemann und Petra-Angela Ahrens
“Flüchtlingsaufnahme kontrovers
Band II. Relevanz von Motiven, Werten, Religion und Politik bei Engagierten”